Verschwörungsglaube und rechte Ideologie

Es ist ein Bild zu sehen mit Schrift vor einem dunkelrötlichen Hintergrund mit mehreren Büchersymbolen. Der Text lautet: #Anti-Asiatischer Rassismus, #Anti-Chinaismus, #Kolonialismus, #Verschwörungsglaube. 
Anti-Asiatischer Rassismus in Verschwörungsglauben

von akiko soyja

Glossar: Im Text sind einige Begriffe farblich hervorgehoben und zum Glossar verlinkt. Dort gibt es weitere Informationen zu diesen Begriffen.


Mit der Verbreitung von Covid-19 sind viele „neue“ Verschwörungsideologien entstanden. Wenn wir diesen „Theorien“ nachgehen, landen wir früher oder später jedoch bei historisch gewachsenen und schon lange bestehenden antisemitischen und rassistischen Narrativen und Erzählungen. So auch bei Verschwörungstheorien, in denen anti-Asiatischer Rassismus produziert wird.[1]

Formen von anti-Asiatischem Rassismus
Seit der Covid-19-Pandemie haben Menschen, die als „asiatisch“ wahrgenommen werden, in einer zugespitzteren Form anti-Asiatischen Rassismus erfahren. Er ist aber keine Neuerscheinung und zeichnet sich, um nur einige Formen zu nennen, oft in

  • dem Mythos der sogenannten „Vorzeigemigrant*innen“ und Verwertbarkeit als Arbeitskraft
  • Exotisierung
  • Hypersexualisierung und Fetischisierung von „Asiatisch-Sein“ und „Weiblichkeit“
  • der Vorstellung von ost- und südostasiatischen Staaten als „Gelbe Gefahr“, als enorme Bedrohung und Konkurrenz, die es zu bekämpfen und besiegen gilt,

ab.
Alle diese Formen sind koloniale Erfindungen, die „asiatisch“ gelesene Menschen als „Andere“ markieren, differenzieren, bewerten und hierarchisieren.

Die Vorstellung einer „Gelben Gefahr“
Insbesondere China als „Gelbe Gefahr“ wird von europäischen Kolonialmächten seit dem 19. Jahrhundert mit der Entstehung und Verbreitung von Epidemien in Verbindung gebracht: Damals ging es um die Pest, dann um Sars und kürzlich um Covid-19. Damit einher gehen rassistische Zuschreibungen, etwa dass Menschen, die als „ost-“ und „südost-asiatisch“ wahrgenommen werden, „gefährlich“, „dreckig“, „unhygienisch“ und „virus-tragend“ seien. Die Verantwortung und Schuld für die Verbreitung eines Virus, welches jeden Menschen infizieren kann, wird so ausschließlich einer einzigen konstruierten Gruppe zugeschoben. So wird der biologisch-medizinische Virus rassifiziert.

Covid-19 und anti-Asiatischer Rassismus in den Medien
Diese Rassifizierung zeigte sich auch in der Medienberichterstattung zu Covid-19. Von regionalen über überregionale bis hin zu öffentlich-rechtlichen Medien war eine implizite und explizite Zuschreibung zu erkennen: So wurden z. B. seit dem Anfang der Pandemie immer wieder Bilder von „asiatisch“ gelesenen Menschen verwendet, wenn über den Corona-Virus berichtet wurde ­­– obwohl die Berichte Ausbrüche und Inzidenzen in deutschen Regionen behandelten. Es wurde sich kulturalisierender, diskriminierender, stereotypisierender und mehrdeutiger Darstellungen bedient, die anti-Asiatischen Rassismus durch Bilder, Assoziationen und Sprache beförderten.

Die „Gelbe Gefahr“ in Verschwörungsglauben
Bei der näheren Betrachtung von coronabezogenen Verschwörungserzählungen ist es nicht schwer, die Narrative der „Gelben Gefahr“ wiederzufinden. Ein Beispiel ist der Verschwörungsglaube, dass der Covid-19-Virus in China in einem Labor geplant und absichtlich als Biowaffe verbreitet worden sei – Covid-19 sei keine „normale“ Krankheit. Häufig wird in diesem Zusammenhang ein Hochsicherheitslabor in der chinesischen Stadt Wuhan genannt. Verbreitet wurde diese Theorie weltweit und international berichteten Medien darüber. Der Aussage, dass „der Corona-Virus eine chinesische Bio-Waffe“ sei, stimmten 38 Prozent der weltweit und 13 Prozent der deutschlandweit Befragten einer Studie zu (Studie von Juli 2020). Das ist in Deutschland mehr als jede siebte Person.

Ende 2021 sind sich global Wissenschaftler*innen uneinig, wo der Virus genau entstand. Was jedoch in diesen Aussagen zu erkennen ist: die soziale Konstruktion einer „Gelben Gefahr“, die versuche, die Weltmacht zu ergreifen, und gestoppt werden müsse. Die Erzählung vom Einsatz von Biowaffen bietet dabei die perfekte Projektionsfläche für nicht greifbare, unheimliche Waffen und moderne Bedrohungen, die nicht direkt sichtbar sind.

Dabei müssen sich verschwörerische Erzählungen, die sich des Narrativs der „Gelben Gefahr“ bedienen, nicht nur auf Covid-19 als Biowaffe beziehen: Anfang 2021 hat ein Physikprofessor der Universität Hamburg mit Hilfe der Universität und des Uni-Präsidenten ein als „Studie“ bezeichnetes Papier veröffentlicht, welches eine Mischung von Quellen auflistet, die von Fachpublikationen und Youtube-Videos bis hin zu der unter Verschwörungsgläubigen beliebten rechten Zeitung „Epoch-Times“ reicht. Die These des fachfremden Professors: Es sei sicher, dass das Corona-Virus in einem staatlichen Labor in Wuhan entstanden ist. Das Vorgehen der Universität Hamburg und des Physikprofessors, wie auch das Niveau des Papiers wurde von vielen Wissenschaftler*innen von verschiedenen Seiten scharf kritisiert: Es handele sich nicht um fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse, erst recht nicht um eine Studie.

Die Struktur von Verschwörungsideologien
Mehr als ihr Inhalt jedoch ist hier wie auch bei allen Verschwörungstheorien die Struktur der Erzählung wichtig. Diese bleibt nämlich gleich: Eine als „fremd“ markierte Gruppe zieht im Geheimen die Fäden. Nachdem eine Eigengruppe und Fremdgruppe hergestellt wurden, wird der (gefühlten) Bedrohung der Eigengruppe mit Abwehrhaltungen gegenüber der konstruierten Fremdgruppe reagiert. Die Glaubenden denken, dass sie selber zur beherrschten Gruppe gehören – die Herrschaft aber „durchschaut“ hätten. Das unterscheide sie von denen, die dies noch nicht durchblickt hätten – sie müssten „aufwachen“. Diese Struktur lässt sich beispielsweise auch in antisemitischen Verschwörungstheorien immer wieder erkennen.

Diese Verschwörungserzählungen sind nicht von historisch kontinuierlich vorhandenen rassistischen Machtverhältnissen trennbar. Die eigene Identität und die der eigenen Gruppe werden durch Abgrenzung und Definition klarer Feindbilder hergestellt: Bei diesem Beispiel wird ein klares Bild „Chinas“ hergestellt, welches sich kolonialer Narrative von der „Gelben Gefahr“ bedient. Gleichzeitig wird nicht spezifiziert, ob es sich um die chinesische Regierung oder um andere Akteur*innen handele, was einen Interpretationsspielraum lässt, der nötig ist, um weitere Theorien zum Leben erwecken zu können.

Konsequenzen für Betroffene von anti-Asiatischem Rassismus
Was dies in der Konsequenz für asiatisch gelesene Menschen bedeuten kann, zeigte sich beispielsweise in Hamburg im April 2021 am Rande einer „Querdenken“-Demonstration. Dort wurden zwei asiatisch gelesene Personen von einer weißen Frau körperlich angegriffen, geschlagen, angespuckt und mit Essen beworfen. Trotz Maskenpflicht trug die Täterin keine Maske. Die Situation legt nahe, dass es sich um einen rassistisch motivierten Angriff und um einen Ansteckungsversuch handelte, der nicht von verschwörungsideologischen „Querdenken“-Bewegungen  zu trennen ist.

Die zwei Betroffenen bekamen von den vielen nahe stehenden Passant*innen wie auch der Polizei keinerlei Unterstützung. Diese Art der gesellschaftlichen Reaktion auf rassistische Angriffe kann nicht geduldet und muss adressiert werden. Zusätzlich dazu bleibt es wichtig und nötig, aufmerksam für solche Ereignisse zu bleiben, die sich rund um verschwörungsideologische Bewegungen abspielen, sie zu beobachten, zu dokumentieren und gegen sie vorzugehen.

Autor*inneninformation 
akiko soyja ist seit 2017 freiberuflich in der politischen Bildung aktiv und arbeitet zu Rassismuskritik, Intersektionalität, Empowerment und Powersharing und hat den Master in Empowerment Studies (Gesellschaftspolitik) abgeschlossen.


Literatur
Ehrich, Cuso (2020). „Guckt mich an!“ – Anti-Asiatischer Rassismus und die Corona-Pandemie. Enthemmungen in Zeiten der Verunsicherung. Überblick. Zeitschrift des Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit in Nordrhein-Westfalen, 26.(3), 10–13.

Friedrich Naumann Stiftung (14.08.2020). Globale Studie: Desinformationen durchdringen Gesellschaften weltweit.
https://www.freiheit.org/de/globale-studie-desinformationen-durchdringen-gesellschaften-weltweit

Korientation e.V. Rassismus in der Covid-19-Berichterstattung.
https://www.korientation.de/medienkritik/corona-rassismus-medien/

Rheinische Post (10.07.2020). Wurde das Virus im Labor gezüchtet – als Biowaffe?
https://rp-online.de/panorama/humbug-verschwoerungstheorien-untersucht/verschwoerungstheorie-wurde-coronavirus-im-labor-als-biowaffe-hergestellt_aid-51547453

Suda, Kimiko; Mayer, Sabrina J. & Nguyen, Christoph (2020). Antiasiatischer Rassismus in Deutschland. In Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) (Anti-)Rassismus. Aus Politik und Zeitgeschichte (ApuZ). 70 (42-44/2020), 39–44 [Themenheft].

Tagesspiegel (20.02.2021). Hamburger Professor bringt eigene Uni mit Corona-„Studie“ in Erklärungsnot.
https://www.tagesspiegel.de/wissen/mir-fehlte-kritische-reflexion-in-deutschland-hamburger-professor-bringt-eigene-uni-mit-corona-studie-in-erklaerungsnot/26934492.html

Tiger.riots. Instagram-Bericht: TW: Körperlicher Angriff auf zwei asiatisch gelesene Personen. Stattgefunden: 17.04 in Hamburg.
https://www.instagram.com/p/CN5IVV8HB3I/



[1] „Asiatisch“ wird im deutschen Kontext aufgrund seiner Kolonialgeschichte in Ostasien und dem Pazifik hauptsächlich mit „ostasiatisch“ und „südostasiatisch“ konnotiert, weshalb ich auf die Formen von Rassismus eingehen werde, die meist ost- und südostasiatisch gelesene Menschen erleben.

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