Monitoring (Sommer 2025)

Der folgende Bericht versteht sich als halbjährlich erscheinender Rückblick auf die Beratungsarbeit und Beobachtungen des MBT. Der Hauptbezugspunkt sind die ersten fünf Monate des Jahres 2025. Vergleichend wird punktuell auch auf das vergangene Jahr geblickt. Da sich zivilgesellschaftliches Engagement, (extrem) rechte Aktivitäten und Gewaltverhältnisse wie Rassismus und Antisemitismus nicht vollständig abbilden lassen, ist der folgende Bericht als unvollständige Auswahl an Beobachtungen zu betrachten, die das MBT darstellen möchte. Einen besonderen Schwerpunkt wollen wir diesmal auf verschiedene Entwicklungen unserer Beratungsarbeit legen.

Beratungsarbeit des MBT – Einblicke, Eindrücke und Entwicklungen

Im Jahr 2024 war das höchste Fallaufkommen in der Geschichte des MBTs zu verzeichnen. Die Spitze stellten hierbei die ersten beide Quartale des Jahres dar. Das Jahr 2025 knüpft an diese Entwicklung an. Die Eindrücke aus den bisher in diesem Jahr eingegangen Beratungsfällen deuten ein erhöhtes Maß an Sensibilisierung und Wunsch nach eigenem demokratischem Engagement an. Gleichzeitig ist spürbar, dass Sorgen und Ängste eine zunehmend große Rolle in Beratungen spielen. Durch die Drohkulisse, die teilweise gezielt durch (extrem) rechte Akteur:innen aufgebaut wird, sind gerade Fachkräfte und Multiplikator:innen enorm herausgefordert. Etwa 30 % der Beratungsfälle machen private Einzelpersonen aus. Die übrigen 70 % setzen sich aus Institutionen wie sozialen Trägern, Schulen, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, Unternehmen, Sportvereinen, Gewerkschaften oder Behörden zusammen.

Beratungsbedarf an Schulen steigt deutlich

Im Vergleich der ersten fünf Monate von diesem und vergangenem Jahr verlaufen einige Entwicklungen ähnlich, in bestimmten Bereichen der Beratungsarbeit sind erhebliche Anstiege zu verzeichnen. Dabei müssen Beratungsfälle im Kontext Schule besonders hervorgehoben werden. Während 2024 noch etwa 4 % der Fälle an Schulen zu verorten waren, sind es in diesem Jahr etwa 16 %. Schulformen, Stadtteile und Jahrgangsstufen sind dabei in etwa gleich verteilt. In der Beratungsarbeit an Schulumfeldern machen wir teilweise sehr unterschiedliche Beobachtungen. Oft sind es engagierte Schüler:innen, Eltern, Schulsozialpädagog:innen und Lehrkräfte die Unterstützung im Umgang mit rassistischen und/oder antisemitischen Vorfällen oder Positionen im Schulumfeld finden wollen. Einige Kinder und Jugendliche fallen z.B. durch die Ausübung rassistisch und/oder antisemitisch motivierter Gewalt oder die Verbreitung (extrem) rechter Ideologien auf. Letzteres geschieht durch das Verkleben von Stickern, Vandalismus oder das Teilen NS-verherrlichender Inhalte in Klassenchats. Nicht selten stellt sich in den Beratungsprozessen heraus: Tatausübende Schüler:innen sind familiär in (extrem) rechten Strukturen sozialisiert. Dies zeigt sich beispielsweise, wenn Lehrkräfte Elterngespräche nach politisch motivierten Gewaltvorfällen führen und sich die Eltern der Tatausübenden dabei offen zur AfD bekennen.

(Extrem) rechte Aktivitäten im öffentlichen Raum – Ein Blick Richtung Altona

Die rassistischen Übergriffe Anfang Februar 2025 in Ottensen reihen sich in ein Muster ein, das sich 2024 schon angedeutet hatte. Denn bereits im vergangenen Jahr wurden mehrere Vorfälle transfeindlicher und rassistischer Gewalt durch zivilgesellschaftliches Engagement und mediale Berichterstattung öffentlich. Insbesondere die Stadtteile Ottensen, Altona-Altstadt und Altona-Nord wurden 2024 Zielorte (extrem) rechter Aktivitäten. Beispielsweise suchten Neonazis der JN („Junge Nationalisten“, aktivistischer Jugendableger der „Heimat“, vormals NPD) aus Hamburg und Schleswig-Holstein Ende September 2024 den Altonaer Bahnhof auf, schmissen dort über Nacht tausende rassistisch-hetzerischer Flyer von einer Unterführung, verschwanden offensichtlich schnell und posteten die Aktion auf Instagram. Mehrfach kam es zu Ansammlungen kleinerer Gruppen von Jugendlichen, die im Bereich des Altonaer Busbahnhofs die „White-Power“-Geste zeigten, dies in verschiedenen Insta-Stories darstellten und große Neonazi-Accounts („Jung und Stark“, „Deutsche Jugend voran“) sowie deren Halbjahres-Monitoring Januar bis Mai 2025 Hamburger Ableger darauf markierten. Im Jahr 2025 gab es bereits einige Vorfälle von (extrem) rechtem Vandalismus und Botschaftstaten, die durch Betroffene und Engagierte stetig sichtbar gemacht werden. Dazu zählen unter anderem Tags und Graffiti mit NS-Bezug oder die Zerstörung am Mahnmal gegen Femizide.

Auch der Eingang von Beratungsanfragen aus Altona steigt bislang stark. Waren es zu diesem Zeitpunkt im letzten Jahr noch 4,4 % aller Fälle, sind in diesem Jahr fast 15 %. Nur aus dem Bezirk Hamburg-Mitte gingen mehr Beratungsfälle ein.

AfD-Bezüge nehmen weiter zu: Partei spielt wachsende Rolle in Beratungsanliegen

Nicht in allen, aber in einigen Fällen benennen Ratsuchende konkret, welche (extrem) rechten Akteur:innen in ihren Beratungsanliegen eine Rolle spielen. Dabei werden Akteur:innen aus dem verschwörungsideologischen Milieu, wie im letzten Jahr, eher wenig benannt (4 %). Den größten Anteil (ca. 30 %) machen Personen mit geschlossenem rechtem Weltbild aus, bei denen allerdings keine Anbindung zu einer Gruppierung, Organisation, Partei oder ähnliches bekannt ist. Die zweithäufigsten Bezüge stellen Ratsuchende zur (Hamburger) AfD her. In einigen dieser Fälle gibt es einen direkten AfD-Bezug, d.h. Akteur:innen der Partei haben eine direkte Rolle gespielt. Bei anderen Fällen berichten Ratsuchende von Täter:innen, die sich in ihrem Handeln auf die AfD beziehen. Diese verschiedenen AfD-Bezüge spielen in etwa 25 % der Beratungsfälle eine Rolle. Das ist nochmal eine Steigerung um 3 % im Vergleich zum Vorjahr. Seit 2022 hat sich Anzahl der Fälle mit AfD-Bezug mehr als verdreifacht.

(Extrem) rechte Raumnahme und zivilgesellschaftliches Gegenengagement

Nachdem sich (extrem) rechte Akteur:innen in den vergangenen Jahren größeren Protestbewegungen erfolgreich anschlossen haben (Demonstrationen gegen Infektionsschutzmaßnahmen, Bauernproteste), gab es in diesem Jahr zwei Versammlungen mit offen rechter Mobilisierung. Unter dem Motto „Gemeinsam für Deutschland“ demonstrieren unterschiedliche Teile des rechten Spektrums seit Jahresbeginn im gesamten Bundesgebiet.

Auch in Hamburg fand diese Veranstaltung zweimal statt, Ende April 2025 in Form einer Demonstration (etwa 250 – 300Teilnehmende, Start am Hauptbahnhof), Ende Mai als eine Kundgebung (etwa 50 Teilnehmende, Hafen City). Seit den sog. „Merkel-Muss-Weg“-Kundgebungen in den Jahren 2018 und 2019 sind es die ersten (größeren) offen rechten Veranstaltungen an zentralen Orten der Stadt. Anmelderin und Organisatorin ist die Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bezirk Mitte, Nicole Jordan. Diese steht nach Medienberichten derzeit vor Gericht, weil die Staatsanwaltschaft ihr vorwirft, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in einem öffentlichen Telegram-Kanal verwendet zu haben. Beide Veranstaltungen wurden von Engagierten kritisch begleitet. Es wurden Gegendemonstrationen, wie etwa vom Hamburger Bündnis gegen Rechts, organisiert. Umfangreiches Bildmaterial belegt, dass auch Neonazis an den Veranstaltungen teilgenommen haben. Personen aus dem Milieu jüngerer Neonazis, die im letzten Jahr bundesweit durch breite queerfeindliche Mobilisierungen in Erscheinung traten, waren in schätzungsweise niedriger zweistelliger Anzahl auf der ersten Demonstration Ende April vertreten. Darunter wohl auch die mutmaßlichen Kanalbetreiber des lokalen Instagram-Accounts von „Jung und Stark“.

In diesem Jahr waren Gedenkorte immer wieder Ziel von (extrem) rechten Botschaftstaten. Eines von zahlreichen Beispielen sind die Nazi-Schmierereien am Holocaust-Denkmal „Hannoverscher Bahnhof“ im Lohsepark. Insgesamt werden Raumnahmeversuche von Rechts im gesamten Stadtbild sichtbar. Besonders im zentralen Hamburger Osten (Hohenfelde, Hamm, Horn) werden von Engagierten aus der Zivilgesellschaft stetig rassistische, antisemitische und NS-bezogene Tags und Sticker dokumentiert und entfernt.

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